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Was ist Sellcruiting?

Sie sind für das HR verantwortlich und müssen neue Talente für Ihr Unternehmen gewinnen? Eine ziemliche Herausforderung in Zeiten von Fachkräftemangel und Arbeitnehmermarkt. Haben Sie sich auch schon einmal überlegt, dass das, was Sie anzubieten haben, ein Job nämlich, sich gar nicht so wesentlich von einem anderen «Produkt» auf dem Markt unterscheidet? Ein Versuch lohnt sich, Ihr «Produkt» auf dem Jobmarkt mit denselben Marketingmassnahmen zu bewerben, wie es Ihre Kolleg:innen aus der Marketingabteilung auch tun würden. Diese Methode nennt sich Sellcruiting.

Unter Sellcruiting versteht man jene Art der Personalgewinnung, bei der man Massnahmen ergreift, um die zu besetzenden Stellen an die Bewerber:innen zu «verkaufen» – also das Arbeitsumfeld und die Aufgaben so attraktiv wie möglich zu gestalten und entsprechend anzupreisen, um damit bei den Bewerber:innen zu punkten.

Für Personalverantwortliche heisst das: Recruiter:innen müssen zu Verkäufer:innen ihres Job-Produkts werden, zu sogenannten Sellcruiter:innen. Nur auf diese Weise können sie passende Mitarbeiter:innen gewinnen und binden, um so die Unternehmensziele erreichen zu können.

Der Job als Produkt

Für Recruiter:innen lohnt sich daher ein Blick auf die Mechanismen und Strategien des Vertriebs. Denn letztlich verhält es sich im Recruiting ähnlich wie im Handel: Die Zielgruppe muss verstanden werden und, abgestimmt auf ihre Bedürfnisse, soll ein gutes Job-Produkt geschaffen werden. Denn wenn das Produkt, in unserem Fall der Job, nicht gut ist, wird auch das beste Marketing dieses nicht verkaufen können. Das Unternehmen riskiert ein frühzeitiges Verlassen der Stelle noch während der Probezeit.

Also müssen Recruiter:innen als Erstes ein gutes Job-Produkt mit klaren und ehrlichen USPs (Unique Selling Propositions) schaffen, um Kandidat:innen zu gewinnen und diese langfristig ans Unternehmen zu binden. Fragen Sie sich: Was zeichnet mein Unternehmen und diese Stelle aus? Machen Sie Ihre eigene kleine interne Marktforschung; befragen Sie zum Beispiel Ihre Mitarbeiter:innen, warum diese gerne in Ihrem Unternehmen arbeiten und was für sie wichtig ist.

Das Jobinterview als Verkaufsgespräch

Wenn Sie nun wissen, worauf Ihre Mitarbeitenden Wert legen, können Sie daran arbeiten, wie Sie potenzielle künftige Mitarbeiter:innen von Ihnen als Arbeitgeber und von Ihrem Job-Produkt überzeugen können. Denn es geht in erster Linie um «Solution Selling»; das sollten Sellcruiter:innen verinnerlichen. Die Bewerber-Kund:innen; in diesem Fall die Kandidat:innen, müssen erkennen, dass sie das Produkt, nämlich den neuen Job, dringend benötigen.

Sellcruiter:innen sollten im Jobinterview viele Fragen stellen, um so zu erkennen, worauf der Kandidat oder die Kandidatin anspricht. Ist ihm / ihr die Work-Life-Balance besonders wichtig oder ist es eher der Bonus am Ende des Monats? Je nach Antworten können die Sellcruiter:innen nun das Job-Produkt entsprechend «verkaufen».

Während des Jobinterviews müssen Sellcruiterinnen und Sellcruiter geschickt und behutsam vorgehen, denn es gilt zu überzeugen, statt zu überreden – schliesslich soll eine geeignete Person möglichst lange im Unternehmen bleiben. Das ist der Inbegriff von «Solution Selling». Kund:innen muss das Gefühl gegeben werden, dass nur Ihr Produkt ihnen bietet, wonach sie suchen. Zielführend sind hier etwa Fragen wie:

  • Wonach suchen Sie im nächsten beruflichen Schritt?
  • Was hat Ihnen im letzten Job besonders viel Freude bereitet?

Weitere geeignete Fragen lassen sich auch durch die SPIN-Methode entwickeln. SPIN steht in diesem Fall für vier verschiedene Kategorien von Fragen:

  • Situationsfragen: Bewerberinnen und Bewerber beschreiben ihren Alltag und erkennen dabei ein Bedürfnis, auf welches Sellcruiting-Verantwortliche eingehen.
  • Problem- oder Wunschfragen: Bewerberinnen und Bewerber erkennen ein Problem oder äussern ihre Wünsche in eigenen Worten.
  • Implikationsfragen: Gemeinsam mit den Bewerberinnen und Bewerbern werden Wünsche priorisiert oder es wird gemeinsam eine Lösung für ein Problem gefunden.
  • Need-Payoff-Fragen: Bewerberinnen und Bewerber erkennen, wie ihr Leben, genauer gesagt ihr Beruf, aussehen könnte, wenn ihr Wunsch realisiert wurde, und kommen zu einer Entscheidung für oder gegen den Job.

Geübten Sellcruiterinnen und Sellcruitern offenbart sich anhand der Art und Weise, wie Jobsuchende antworten schnell, worauf es ihnen ankommt und auf was sie ansprechen. Sind es eher die «harten», greifbaren Vorzüge eines Jobs wie Gehalt, Urlaubstage oder das Vorhandensein einer Kantine, die der Person wichtig sind? Oder sind es doch mehr die «weichen» Vorzüge wie flache Hierarchien, ein humorvolles Team oder die Freiheit zur Mitgestaltung? Anhand der Antworten können sie nun das Job-Produkt entsprechend «verkaufen» und die gewünschten Pluspunkte hervorheben. Hierbei dürfen sie allerdings keine voreiligen oder sogar falschen Versprechungen machen.

Als Sellcruiter:innen geben Sie das Heft des Handelns nicht aus der Hand. Eine der letzten Fragen, die Sie in jedem Vorstellungsgespräch stellen sollten, lautet: «Angenommen, wir würden Ihnen ein Jobangebot machen, würden Sie es annehmen?» Bei einem Zögern sollten Sie direkt nachfragen: «Was geht Ihnen denn noch durch den Kopf?» Dadurch entdecken Sie oft spät im Gespräch noch essenzielle Themen, die die Kandidat:in bisher gar nicht erwähnt hat, zum Beispiel, dass er oder sie unsicher ist, wie er/sie Kita-Schliesszeiten und Arbeitszeiten unter einen Hut bekommt. Äussert der Kandidat diese Bedenken nun, so haben Sie die Chance, ihm Lösungen anzubieten.

Vom Vertrieb lernen

Das Rad muss also gar nicht neu erfunden werden, sondern altbewährte Methoden aus dem Verkauf / Vertrieb können für die HR-Branche adaptiert und angewendet werden.

Eine Gepflogenheit, die im Verkauf gang und gäbe ist, ist zum Beispiel, dass Interessierte Produkte testen, anschauen und ausprobieren können. Auch das lässt sich auf den Job als Produkt übertragen. Wege dazu können zum Beispiel ein Angebot zur Probearbeit vor Ort sein oder ein Bürorundgang, bei dem man als Neuling Gelegenheit hat, die neuen Kolleg:innen kennenzulernen und die Stimmung im Betrieb zu spüren. Auch kurze Kaffeerunden mit aktuellen Mitarbeitenden oder ein abendliches Kennenlernen können Transparenz schaffen und Interesse wecken. Es gibt keine besseren «Markenbotschafter:innen» für Bewerbende als die eigenen Mitarbeiter:innen.

Fazit:

Zu den aktuellen Zeiten des Arbeitskräftemangels bewerben sich Unternehmen durch ihre Sellcruiter:innen um die Kandidat:innen und nicht mehr andersherum. Schon daher lohnt es sich für sie, bewährte Ansätze aus dem Produktmarketing für das Recruiting zu übernehmen.

Transparenz und Authentizität sind Schlüsselfaktoren für jedes Einstellungsgespräch, wie beim Verkaufsgespräch auch. Wichtig ist zudem, stets in guter Erinnerung zu bleiben und den Entscheidungsprozess zu befristen: Es sollte so rasch wie möglich ein Feedback gegeben werden, um den Kandidaten, die Kandidatin, nicht unnötig hinzuhalten.

Sellcruiter:innen wissen: Das Gehalt allein ist nicht zwingend entscheidend – Fringe Benefits, die persönliche Ebene und ein Umfeld für Selbstverwirklichung sind heutzutage das Zünglein an der Waage. 

Versuchen Sie sich nun bei Ihrem nächsten Kandidat:innen-Interview als Sellcruiter:in und preisen Sie die zu besetzende Vakanz als Job-Produkt an.

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